Wie du dich gegen schlechtes programmiertes Verhalten wehrst

Über Paradigmen habe ich zum ersten Mal etwas im Buch „Die 7 Wege zur Effektivität“ gelesen. Ich wusste schon vorher, dass es wichtig ist, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Aber das Buch hat mir echt die Augen geöffnet. Unterschiedliche Paradigmen zu erkennen, Empathie und Verständnis zu empfinden ist wirklich nicht einfach und etwas, das wir als Kinder erst sehr spät lernen. Darum erkennt man bei Kleinkindern auch immer die gleichen Umgangsprinzipien untereinander. Spielen sie zusammen möchte das eine Kind immer genau das Spielzeug haben, mit dem das jeweils andere spielt. Weil daraus offenbar das Gefühl eines Nachteils entsteht. Und wir sind offenbar genetisch darauf programmiert Nachteile zu meiden.

Kinder lernen erst später, dass ihnen eben kein Nachteil entsteht, wenn ein anderes Kind mit diesem Spielzeug spielt. Doch das ist längst nicht bei Allen der Fall und uns auch nicht dauerhaft bewusst. Selbst als Erwachsene ist es nicht so, dass wir stets ein kollaboratives Verhalten zeigen. Im Gegenteil. Andere Menschen sind uns im Allgemeinen erste mal egal. Wir Menschen sind von Natur aus immer erst auf uns und unseren Vorteil bedacht.

Doch nicht nur das. Wir haben auch das Problem, dass wir offenbar biologisch auf bestimmte Verhaltensweisen programmiert sind, gegen die wir uns nur schwer wehren können. Das berühmteste Experiment, dass das beweist ist das furchtbare Milgram-Experiment.

Das Milgram-Experiment

Dieses Experiment fand 1961 zum ersten Mal in New Haven statt und war nichts anderes als ein sehr gutes Theaterspiel, von dem der Proband des Experiments aber nichts wusste. Diese war dafür verantwortlich einer anderen Versuchsperson, auf Befehl eines Versuchsleiters, auf einem elektrischen Stuhl mit Stromstößen zu quälen. Der Gequälte allerdings war ein Schauspieler und es floss kein echter Strom.

Die schauspielernde Versuchsperson musste in dem Experiment ein paar Aufgaben lösen. Dabei sollten Wortpaare erlernt und anschließend wiedergegeben werden. Bei jedem “Fehler” sollte der echte Proband dies mit einem Stromstoß bestrafen und anschließend die Stromspannung um eine Stufe erhöhen. Ein fieses Experiment mag man denken, das beim Probanden ganz bestimmt viele ethische Fragen aufwerfen würde und auf das sich wohl auch niemand so schnell einlassen würde. Doch damit hast du falsch gedacht, wie du gleich lesen wirst.

Natürlich ist bei solchen Experimenten immer wichtig, dass die Probanden nicht fälschlicherweise von den Versuchsleitern beeinflusst werden. Daher wurden die Teilnehmer mehrfach darauf hingewiesen, das Experiment jederzeit , ohne Nachteile abbrechen zu können. Auch wurde über die gesamte Zeit des laufenden Experiments keiner der Probanden je bedroht oder angeschrien. Der Versuchsleiter antwortete auf Zweifel oder Rückfragen der Probanden lediglich mit neutraler Stimmlage „Bitte fahren Sie fort“ oder „Es ist alles in Ordnung. Sie müssen weitermachen“. So neutral, dass jeder Proband jederzeit hätte abbrechen können, ohne dafür Folgen zu tragen.

Der schauspielende Proband reagierte mit jeder Erhöhung natürlich immer heftiger und zunächst brach niemand das Experiment ab. Bei fiktiven 150V äußerte er klar, nicht mehr am Experiment teilnehmen zu wollen. Doch auch an dieser Stelle führten ALLE Probanden das Experiment fort. Niemand brach ab. Selbst bei 200V, als er zu schreien begann, dass einem die Adern gefrieren würden, hörte keiner der Probanden auf.

Erst bei 300V, als er erstmals ablehnte zu antworten, brachen die ersten Probanden ab. Bei über 330V tat der Schauspieler so, als würde er nicht mehr reagieren. Bis zu einschließlich dieser Stelle hatten nur 9 der 40 Probanden das Experiment abgebrochen. 26 führten es bis zur maximalen, in Wirklichkeit tödlichen Spannung von 450V und damit bis zum Ende des Experiments fort. Unglaublich, oder?

Das Ergebnis überraschte die Wissenschaftler so sehr, dass dieses Experiment bis heute mehrfach wiederholt und abgewandelt wurde – immer mit ähnlichen Ergebnissen. Dabei fand man nach und nach heraus, dass die physische Nähe des Probanden zu seinem fiktiven Opfer eine signifikante Rolle spielte. Waren sie räumlich voneinander getrennt zogen 60% bis zur maximalen Spannung durch. Waren sie in Berührungsnähe, dann nur 30%. Und auch das Geschlecht der Probanden spielte keine Rolle. In diesem und Folgeexperimenten konnten keine Verhaltensunterschiede zwischen Mann und Frau erkannt werden.

Verblüffend und erschreckend zugleich, oder? Welche Erklärungen gibt es für so ein Verhalten?

Wir wollen den Erwartungen entsprechen

Das Experiment ist ein tolles Beispiel dafür, wie wir in unsicheren Situationen vorgehen. Sind wir unsicher und wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen, dann orientieren wir uns an dem Verhalten anderer Menschen. In diesem Fall am Versuchsleiter, der versichert, dass alles in Ordnung sei und man fortfahren könne. Da er eine Autoritätsperson darstellt, die fachlich kompetenter zu sein scheint, vertrauen wir ihm. Er wird schon wissen, was er tut.

Auch haben wir Menschen das Problem, dass wir auf keinen Fall widersprüchlich handeln wollen. Eine innere Blockade verbietet es uns eine einmal erteilte Zustimmung zurückzunehmen. Das ist auch ein Punkt den viele Verkäufer ausnutzen. Und weil jeder Stromstoß ein Commitment darstellt, wollen und können wir dieses nicht zurücknehmen.

Zudem wollen wir nicht als Versager gelten, weil wir eine Aufgabe abbrechen, für die wir extra ausgesucht wurden. Wir wollen den Erwartungen entsprechen, die an uns gestellt werden. Wie viel wir also dafür in Kauf nehmen unser Gesicht zu wahren zeigt dieses Experiment.

Bitte behalte es daher im Kopf. Es ist sehr wichtig, dass du dir klar darüber bist, dass du biologisch darauf programmiert bist, konsistent zu sein. Nur dann kannst du beginnen dich mit vollem Bewusstsein dagegen zu wehren.

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