Interview: Annika & Gabriel Fotografie

Annika & Gabriel Fotografie

In den Freimind Interviews kommen Selbständige zu Wort, um über ihr altes Leben, den Wechsel in die Selbständigkeit und die Herausforderungen zu sprechen, die damit einhergehen.

Dieses Mal habe ich Annika & Gabriel über ihr Leben als selbständige Fotografen befragt. Sie leben in St. Wendel im Saarland und fotografieren Hochzeiten, Paare, Kinder und Familien. Auch sie sind keine ausgebildeten Fotografen, sondern Quereinsteiger, wie viele von uns. Ihre Geschichte könnt ihr hier lesen:

1. Was habt ihr in eurem alten Leben beruflich gemacht?

Annika: Ich habe nach dem Abi eine Ausbildung zur Industriekauffrau gemacht, ein Jahr als Personalsachbearbeiterin gearbeitet, dann gemerkt „Nein, das ist es nicht“ und hab dann soziale Arbeit studiert, zwischenzeitlich im Ehrenamt und danach als Sozialarbeiterin in den ausbildungsbegleitenden Hilfen gearbeitet.

Gabriel: Ich bin immer noch als Ausbilder in einer Ausbildungswerkstatt für Feinwerkmechanik tätig.

2. Wie seid ihr damals zu diesem Beruf gekommen?

Annika: Nach dem Abitur wusste ich erst mal gar nicht, wo der Weg hingehen soll. Die Ausbildung zur Industriekauffrau bei der Saarbrücker Zeitung schien mir interessant. Mir wurde aber schnell klar, dass dieser Bereich so gar nichts für mich ist und ich wollte als Jugendliche eigentlich Erzieherin werden. Das Studium war dann wirklich eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Auch wenn das viele nicht verstehen, weil ich derzeit nicht mehr in dem Bereich arbeite.

3. Wann habt ihr für euch beschlossen, dass es nicht der richtige Weg ist?

Annika: Ich war schon 3 Jahre vor dem Schritt in die komplette Selbständigkeit nebenberuflich als Fotografin tätig. Es war anfangs auch ein wundervoller Ausgleich zu den eher harten Themen der sozialen Arbeit. Nach der Geburt unserer Tochter und der Elternzeit ging ich auf Stellensuche. Keine Stelle reizte mich und nach 1 Woche auf der neuen Arbeit und vielen Tränen stand fest: so kann das nicht weitergehen.
Ich muss dazu sagen, dass ich hochsensibel bin und jede neue Arbeitsstelle und Herausforderung belastend für mich sind. Ich habe das bisher immer gut geschafft, aber es macht einfach müde. Da sind einfach soziale Ängste und Unsicherheiten, die ich zwar eigentlich nur im Vorhinein habe, die aber Kraft kosten. Und die hab ich in der Fotografie nie gespürt, obwohl ich da auch immer ins kalte Wasser springe, neue Leute kennen lerne, Anweisungen bei Gruppenbildern gebe. Irgendwie macht diese Arbeit aus mir einen selbstsichereren Menschen. So hatte ich also die ganze Zeit im Hinterkopf, dass ich versuchen möchte nur als Fotografin zu arbeiten. Und dieser Wunsch wurde so groß, dass ich mich für jede mögliche Arbeitsstelle irgendwie versperrte.

Gabriel: Es ist auch einfach so, dass die Fotografie für uns beide eine Leidenschaft ist. Und Intensität und Professionalität haben mir auch schnell gezeigt, dass man nicht alles machen kann. Es war klar: entweder geht es so weiter und wächst oder die Fotografie bleibt Hobby oder fällt ganz weg. Man kann nicht alles machen, wenn man es richtig machen will.

4. Wie war die Übergangszeit für euch?

Annika: Diese Zeit bis zur Entscheidung war schwierig. Denn ich hatte so das Gefühl jetzt krampfhaft was finden zu müssen. Und das sollte eine Stelle zwischen 15 und 25 h/Woche sein, damit ich noch Zeit für die Fotografie hab und viel entscheidender: Für unsere Tochter. Denn hauptsächlich bin ich Mama. Ich bekam gleichzeitig also auch immer mehr Bedenken, wie ich dann noch genug Zeit für unsere Tochter, Haus & Garten haben soll. Aber da war dieses „du musst aber jetzt in der sozialen Arbeit arbeiten – du hast extra studiert“. Und das wird einem ja auch von jedem immer wieder gesagt.

Gabriel: Wobei dir das nicht von jedem gesagt wurde. Du hast dir das gesagt.

Annika: Ja, das stimmt. Diese Gedanken in meinem Kopf waren halt schon ziemlich laut. Aber das Studium hat mir unendlich viel gebracht, menschlich, aber auch für unsere Arbeit jetzt. Es hat meine Empathie und Feinfühligkeit irgendwie noch verstärkt und auch viele meiner Ansichten geändert.

Gabriel: Annikas Gedanken bezüglich der Selbständigkeit gingen anfangs oft in die Richtung „Sehen das Andere auch als Arbeit an?“ Dieses Denken, dass man nur arbeitet, wenn man morgens das Haus verlässt, hat sie schon einige Zeit gehabt und hat sie teilweise heute noch.

Annika: Es ist, wenn auch oft stressig, einfach eine Arbeit, die mir Freude bereitet. Es fühlt sich gut an. Und irgendwas in mir sagt mir immer wieder „Was sich gut anfühlt, kann keine richtige Arbeit sein“ – was natürlich Quatsch ist.

5. Wie viel Respekt / Angst hattet ihr vor dem eigentlichen Schritt in die Selbständigkeit?

Gabriel: Respekt oder Angst hatte ich gar nicht. Ich hab nur von Anfang an gesagt, dass wir uns hinsetzen und durchrechnen müssen. Und wenn es geht, war mir klar: dann machen wir’s.

Annika: Wir hatten ja die super Ausgangslange, dass wir zum Zeitpunkt der Entscheidung schon den Terminplan für die kommende Saison voll hatten und uns im Laufe der Jahre ja auch schon einen Namen gemacht haben. Es war ja keine Entscheidung von 0 auf 100, auch wenn ich nach der Elternzeit selbst nochmal richtig reinkommen musste. Aber für mich ist es jetzt im ersten Jahr immer noch nervenaufreibend, ob alles so passt, wie wir uns das vorgestellt haben.

6. Wenn ihr damals keine Angst hattest, gibt es heute noch Situationen, die dich manchmal beunruhigen?

Annika: Ich finde ein gewisses Maß an Respekt und vielleicht auch Angst ist gesund und klar ist es begründet. Wird man genug gebucht? Läuft alles rund? Wenn ich meiner geregelten Arbeit in einer Anstellung nachgehe, bekomme ich jeden Monat mein Geld. So ist das als Selbständige halt nicht. Und wenn ich krank werde, kann ich nicht arbeiten. Und wenn ich ein Shooting absagen muss, springen die Kunden vielleicht ab usw.

Aber meine Angst die Anerkennung für meine Arbeit nicht zu bekommen, die war unbegründet. Weil der Zuspruch wirklich groß ist.

7. Wie habt ihr Euch über die Selbständigkeit informiert? Welche Quellen habt ihr genutzt?

Gabriel: Ich hab an meine Ausbildung damals noch ein BWL-Studium angehangen, so dass die wichtigsten betriebswirtschaftlichen Basics vorhanden sind. Für den Rest haben wir uns viel belesen und Workshops belegt.

Annika: Genau. Damals war ich zur Information bei der Handwerkskammer und hab überall quer gelesen. Entsprechende Social-Media-Gruppen haben auch Infos hergegeben, wobei man da vorsichtig sein muss, weil viele auch Halbwahrheiten posten. Wenn ich es heute nochmal machen müsste und Gabriel nicht an meiner Seite hätte, würde ich wohl extra einen Kurs für den Start in die Selbständigkeit machen und mich richtig beraten lassen. Denn man muss schließlich schon einiges beachten, von BG, DSGVO über Finanzamt  und und und. Und wie wir ja wissen „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“.

8. Ist eure Selbständigkeit heute so, wie ihr es euch damals gewünscht / vorgestellt habt?

Annika: Bis jetzt sind wir echt zufrieden. Ich muss noch ein bisschen an mir arbeiten, weil ich oft keine klare Grenze ziehen kann. Ich würde mir deshalb manchmal wünschen, dass ich mich weniger stressen würde. Aber das liegt ja an mir.

Gabriel: Ansonsten ist es einfach die schönste Arbeit. Wir verbringen so wertvolle Zeit miteinander, erleben große und kleine Wunder. Und Annika kann trotzdem für unsere Tochter voll da sein und geht gleichzeitig auch ihrem Wunsch nach Arbeit und Anerkennung nach.

Annika: Ja, uns bedeuten die Hochzeiten, unsere Familien und Neugeborenen richtig viel. Und wir bekommen so wundervolles Feedback über unsere Herzlichkeit. Und das ist das schönste Kompliment für uns, wenn die Menschen erkennen, mit wieviel Liebe und Herzblut wir das machen.
Und welche Arbeit könnte schöner seiner, als die, die man aus tiefstem Inneren gern macht?

9. Was hat euch auf deinem Weg in die Selbständigkeit bisher am besten geholfen? (Ein spezieller Tipp? Ein Kurs? Ein Mensch aus eurem Umfeld?)

Gabriel: Was uns persönlich einige Denkanstöße gegeben hat, waren die Workshops von Carmen und Ingo.

Hilfreich finde ich auch gemeinsames Reflektieren über Aufträge, Marketing und über uns und das Business. Und der Austausch und die Vernetzung mit Kollegen sind sehr wertvoll, ob das jetzt speziell Wedding-Meet-Ups sind oder Business-Treffen mit anderen Selbständigen.

Annika: Außerdem  hat mir ein Podcast bzw. ein Buch, nämlich „Proud to be Sensibelchen“, geholfen, weil ich begonnen habe mich einerseits mit Menschen und deren Geschichte auseinander zu setzen, denen es ähnlich geht wie mir und die alle nur in der Selbständigkeit wirklich glücklich werden konnten. Und zum anderen hab ich mich mehr mit mir beschäftigt und mir darüber klar gemacht, dass ich gar nicht total defizitär sondern einfach extrem stark fühlend bin. Und das nicht unbedingt eine Schwäche, sondern meine Stärke ist.

Gabriel: Annikas Superkraft, auf jeden Fall.

10. Was empfindet ihr als das Beste und das Schlechteste an der Selbständigkeit?

Annika: Allgemein ist das Beste an der Selbständigkeit die Freiheit. Selbst entscheiden können, wann wir wie viel machen, was wir wann erledigen. Und das Schlechteste an der Selbständigkeit ist natürlich die Unsicherheit. Es kann immer passieren, dass man von heut auf morgen wegen beispielsweise Krankheit arbeitsunfähig ist und dann gibt es keine Lohnfortzahlung.

Für mich persönlich ist aber oft die Freiheit und vor mir selbst Rechenschaft ablegen zu müssen das Beste und Schlechteste zugleich. Ich bin seit ich denken kann mein größter Kritiker. So kann diese freie Einteilung einem zu Verhängnis werden, wenn man immer bis zu der persönlichen Grenze und darüber hinaus geht. Aber das ist ja zum Glück etwas, woran man selbst arbeiten kann. Und da hab ich zum Glück Menschen in meinem Leben, die mir immer wieder helfen mich zu erden.

Liebe Annika und lieber Gabriel, vielen Dank dass ihr euch die Zeit genommen habt auf diese Fragen zu antworten!

Weitere Infos zu den beiden findet ihr auf annika-gabriel.de. Besucht sie auch gern auf Instagram.

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